Elemente verbindender Kommunikation

„Im Grunde sind es immer die Verbindungen mit Menschen,
die dem Leben seinen Wert geben.“

Wilhelm von Humboldt
in einem Briefe am 21.9.1827.

Auf den ersten Blick sehen wir die Sprache oft nur als ein Medium, mit dem wir Informationen austauschen, Erlebnisse und Erfahrungen mit anderen teilen und die Dinge der Welt benennen. Schaut man genauer hin, dann erkennt man schnell, dass Sprache nicht nur ein Werkzeug zum Informationsaustausch ist, sondern es weit darüberhinausgehende Aspekte gibt.

Die Sprache spielt eine entscheidende Rolle bei der Art und Weise, wie wir die Wirklichkeit wahrnehmen, sie ordnen und welche Konsequenzen wir aus unseren Wahrnehmungen ableiten. Üblicherweise geht man davon aus, dass wir zuerst sinnlich wahrnehmen und dann unsere Wahrnehmungen in Sprache kleiden. Die Erkenntnisse der Gestaltpsychologie und der Kognitionsforschung machen aber deutlich, dass die Beziehungen zwischen Wahrnehmung, Denken und sprachlicher Kommunikation weitaus komplexer sind. Es zeigt sich, dass Sprache Wirklichkeit nicht einfach abbildet, sondern ein Stück weit Wirklichkeit auch erschafft. Sigmund Freud bezieht sich auf diesen Sachverhalt, wenn er schreibt: „Worte waren ursprünglich Zauber, und das Wort hat noch heute viel von seiner alten Zauberkraft bewahrt“. Stichworte in dem Zusammenhang wären auch „Hypnotherapie“ im Gesundheitswesen oder „Mentaltraining“ im Sport.

Wie kann man nun diese Erkenntnisse nutzen, damit wir rücksichtsvoll miteinander umgehen und in Balance mit uns selbst und mit anderen leben? Welche Möglichkeiten eröffnet uns dafür das Verbindende der Sprache?

Vor allem, wenn es zu Ärger, Spannungen oder Konflikten kommt kann das Modell der gewaltfreien Kommunikation (GFK) von Marshall B. Rosenberg eine große Hilfe sein. Es geht darum, die alten Muster von Verteidigung, Angriff oder Rückzug durch eine Grundhaltung zu ersetzen, bei der eine respektvolle und wertschätzende Beziehung im Vordergrund steht. Im Wesentlichen lassen sich dabei vier Komponenten identifizieren, die eine verbindende Sprache ausmachen.

Beobachtung: In einem ersten Schritt geht es darum, unsere Beobachtungen dem anderen ohne Beurteilung oder Bewertung mitzuteilen, d.h. beschreiben, was gesehen, gehört, wahrgenommen wird, was genau geschehen ist, welche Fakten gegeben sind. Bewertung, Interpretation und Analyse werden von der Beobachtung getrennt.

Gefühle: Auf Basis der Beobachtung wird im nächsten Schritt ausgesprochen, wie wir uns dabei fühlen. Fühlen wir uns verletzt, erschrocken, froh, irritiert, ängstlich, enttäuscht, ärgerlich, traurig, entmutigt, glücklich etc. Meistens sehen wir den Grund für unsere Gefühle in den Handlungen der anderen. Die Ursachen unserer Gefühle sind aber unsere Bedürfnisse. Das Verhalten der anderen ist der Auslöser, es weist uns auf unsere Bedürfnisse hin.

Bedürfnisse: Im dritten Schritt formulieren wir unserer Bedürfnisse, die hinter diesen Gefühlen stehen. Sobald wir unsere Aufmerksamkeit auf Bedürfnisse richten, wird im Zwischenmenschlichen das Verbindende deutlich. Auf der Bedürfnis-/Interessenebene ist es leichter, einander zu verstehen. Bei Verhandlungen ist es wesentlich, hinter den vorgetragenen Positionen die entsprechenden Bedürfnisse und Interessen zu erkennen.

Bitte/Wunsch: Der letzte der vier Schritte ist die Formulierung einer möglichst konkreten Bitte: Was hätte ich gerne, das die andere Person tut. Was möchte, was brauche ich. Damit wird der Gesprächspartner motiviert, auf die Bedürfnisse einzugehen. Dafür ist es notwendig, die Bitte positiv zu formulieren, also sagen, was man möchte und nicht, was man nicht möchte und auf Forderungen zu verzichten. Dieser vierte Schritt ist wichtig. Bleibt man bei den ersten drei Schritten stehen, hat der Gesprächspartner hauptsächlich die Gefühle und Bedürfnisse im Ohr und es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dies als diffuser Vorwurf oder als Schuldzuweisung aufgenommen wird. Um die Kommunikation verbindend zu gestalten, ist es daher notwendig, klar zum Ausdruck zu bringen, was man möchte. Das kann oft Mut erfordern, weil man sich dadurch auch ein Stück weit verletzlich macht.

Zusammenfassend lässt sich sagen

  • Das Potential einer verbindenden Kommunikation zeigt sich in diesen vier Schritten: Klärung von (1) Beobachtung, (2) Gefühl und (3) Bedürfnis (anstatt zu diagnostizieren und zu beurteilen) und anschließend (4) konkret ausdrücken, was wir möchten, was wir brauchen.
  • Alle Menschen streben danach, ihre Bedürfnisse befriedigt zu bekommen. Wir sind soziale Wesen und in vielen unserer Bedürfnisse voneinander abhängig.
  • Hinter aggressivem Verhalten steckt fast immer auch ein Bedürfnis.
  • Für verbindende Kommunikation braucht es Offenheit und Empathie, d.h. die Fähigkeit, sich in andere Menschen so gut wie möglich einzufühlen.
  • Verbindende Kommunikation führt zu einer Erweiterung des Handlungsspielraums und zu größerer Handlungsfähigkeit. In Konfliktsituationen erhöht sich dadurch die Wahrscheinlichkeit, Lösungen zum Nutzen und zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu erarbeiten. Es entsteht mehr Eigenverantwortung und schafft ein besseres, bereichertes und erfreulicheres Leben für die Beteiligten.

Anton Hütter, i. P. 1965-1969

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