Wie bilden sich Kindergruppen?

Wir alle schaffen Gruppen. Familien, Freundesgruppen, Chat-Groups und so weiter und so fort. Wir agieren anders in Gruppen, fühlen uns in verschieden großen Gruppen unterschiedlich wohl und empfinden Gemeinschaft manchmal als Bereicherung und gelegentlich als Fluch. Jede*r von uns hat seinen eigenen Freundeskreis und viele von diesen zwischenmenschlichen Verbindungen reichen zurück bis weit in unsere Kindheit. Ein Alter, in dem es um Entwicklung geht, aber damals war uns das egal. Wie gern fragten wir Mama, ob sie nicht vielleicht die Mütter unserer Freund*innen anrufen könnte, um herauszufinden, ob diese sich heute zum Spielen treffen konnten. Wenn man Kindern zuhört, wie sie über ihre Freundschaften sprechen, kann man immer eine regelrecht stolze Haltung heraushören. Freundschaft ist für viele Kinder das A und O einer jeden Unternehmung. Doch auch diese kindlichen Freundschafts- und somit Gruppenbildungen können negative Aspekte haben. Im Folgenden darf ich, als Amateur in der Pädagogik, kurz über meine Erfahrungen mit dieser Thematik berichten.

Persönlich beziehe ich meine Erfahrungen aus meinen Jahren als Kletter- und Sommerbetreuer für Kinder und Jugendliche. Ob in der Kletterhalle, am Basteltisch oder im Freien – von und mit den Kindern zu lernen und mit ihnen Zeit zu verbringen hat sich als unfassbar erfüllende Arbeit erwiesen.

Jede Gruppe ist unterschiedlich und jedes Kind ist individuell beeinflusst. Manchen fällt es ausgesprochen leicht, neue Freunde*innen zu finden, eigene Gefühle auszudrücken und sich in Gruppen einzuordnen während andere das Alleinsein bevorzugen und sich, wenn überhaupt, erst spät bestehenden Gruppen zuordnen. Kindliche Gruppenbildung kann man wie alles andere natürlich nur schwer pauschalisieren, jedoch haben sich für mich mit der Zeit gewisse Kriterien herauskristallisiert, die häufig aufzutreten scheinen. Auffällig ist nach wie vor die „geschlechtliche Sofortteilung“. Wenn sich eine neue Gruppe aus vielen Kindern begegnet, teilt sich die Gruppe zunächst automatisch in Buben- und Mädchengruppen. Danach bilden sich gewisse Abspaltungen, die nach meiner Erfahrung fast immer in einem gewissen Muster ablaufen.

Zuerst suchen die Kids in den eigenen Gruppen die Leute heraus, die sie bereits kennen. In neuen Situationen halten bestehende Freundschaften sofort zusammen. Diese Freundschaften bleiben entweder von Anfang an unter sich oder scharen eine größere Gruppe um sich. Dabei geht es dann meistens um gemeinsame Interessen. Es sammeln sich diejenigen, die gerne die gleichen Spiele spielen, diejenigen, die gerne basteln, diejenigen, die lieber auf Entdeckungsreisen gehen und so weiter und so fort. Nach diesem Schritt haben sich bereits einige Kleingruppen ergeben, die man als Betreuer*in oft schon einzuschätzen weiß. All jene Kinder, die bis jetzt noch nicht klar in eine Gruppe passen oder nicht Teil von ihr sein wollen, suchen sich nun mit übrigen Gleichgesinnten zusammen. Besonders hier mischen sich Mädchen und Jungs jetzt zusammen und bilden einzelne Gruppen nach Gesinnung. Die Sportler die gerne Fußball spielen und umhersausen, die Ruhigen, die lieber in Frieden ihr eigenes Ding durchziehen, die Kreativen, etc.. Auch innerhalb der Gruppen entstehen immer wieder Interessenskonflikte, die nicht selten in Streit und Abspaltung enden.

Das somit haben sich schnell die „klassischen“ Gruppen gebildet, die man auffällig oft in solchen Situationen vorfindet. Für Kinder spielt es meistens keine Rolle, aus welchen sozialen Schichten man kommt oder welcher religiösen Gemeinschaft man angehört. Für Kinder zählt, ob man auch Dinosauriern mag, ob man auch Astronaut werden will oder ob man auch gerne Merkball spielt. Selbstredend teilen sich Kinder auch oft in Gruppen, die ihren eigenen kulturellen Hintergrund widerspiegeln, aber meiner Erfahrung nach stehen gemeinsame Interessen und Begeisterungen weit im Vordergrund.

Im Gegensatz zu Erwachsenen zählen für Kinder viele Vorurteile, prädestinierte Ansichtsweisen und soziale Empfindungen, die uns in unserem Handel hemmen, einfach nicht. Kinder sehen die Welt aus ihren eigenen Augen – eine Welt in der noch alles möglich ist. Ob wir die Welt und einander wohl je wieder so sehen können? Hoffen wir darauf.


Adrian Mayr, MJ 2022

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