Der Astbrecher - Freundschaft unter Künstlern

Als ich gefragt wurde, einen Artikel zu schreiben, dachte ich mit einem Lächeln an die Zeit am Paulinum zurück. Im Kontext des Themas dieser Ausgabe dachte ich zurück an die bildnerisch-musikalisch künstlerische Entfaltungsmöglichkeit, die dort möglich war. Auch erinnerte ich mich an gute Freundschaften, die bedingt durch andere Studien- und Lebensrichtungen, die wir eingeschlagen hatten, kaum noch gepflegt wurden.

Letztere Konnotation und ein Thema, welches ich im Rahmen meines Studiums zu dieser Zeit gerade bearbeitet hatte, brachten mich auch auf eine Idee, worüber ich schreiben könnte: Freundschaft unter Künstlern, im Speziellen die Freundschaft zwischen Adam Kraft und Peter Vischer, die sich nicht nur in schriftlichen Überlieferungen von Zeitgenossen festmachen lässt, sondern auch an einem kleinen, unscheinbaren Bronzeguss sichtbar ist.

Der Zeitgenosse Johann Neudörffer der Ältere schildert, dass der Steinbildhauer und Baumeister Adam Kraft und der Kupferschmied und Rotgießer Peter Vischer gemeinsam mit dem Kupferschmied Sebastian Lindenast „gleich miteinander aufgewachsen und wie Brüder gewesen“ seien und dass sie „alle Feiertag in ihrem Alter zusammen gangen sich nit anders als wären sie Lehrjungen mit einander geübet, welche Uebung und ihr Aufreißung noch zu weisen ist, sind auch allemal, ohne einiges Essen und Trinken freundlich und brüderlich von einander geschieden“, was wohl bedeutet, dass sie nicht nur miteinander zeichneten, sondern auch modellierten. Dies weist auf eine über eine reine Arbeitsbeziehung hinausgehende Jugendfreundschaft, die bis ins Alter reichte, hin.

Ebendiese Freundschaft brachte auch jenen oben erwähnten Bronzeguss, den sogenannten Astbrecher, hervor. Dargestellt ist ein kniender Mann in enganliegender Werkmannskleidung der damaligen Zeit. Das Objekt ist als Tragefigur konzipiert, worauf ein tiefes Dübelloch auf der rechten Schulter hinweist. Der am Boden kniende Mann trägt sowohl mit seinem Körper als auch mit dem Ast der wohlmöglich eine Hilfsstütze darstellt, eine Last, die heute fehlt. Offenbar gilt dieser vom Mann zu tragenden schweren Last der grimmige Blick ihres Trägers.

Schlüsselbein und obere Rippen sind angedeutet. Die Faltung von Ärmel und Hosen aber lassen die Muskelanspannung deutlich werden und ist auch das für schweres Tragen unerlässliche Einziehen der Bauchmuskeln deutlich wahrzunehmen, was vor allem dem Unterkörper starke Plastizität verleiht. Die Gesichtszüge sind verkrampft. Als Figur des Spätmittelalters ist der Kopf trotz des sonst angewendeten Naturalismus noch leicht übergroß.

Unterzieht man den Astbrecher im Kontext zum knienden Selbstbildnis Krafts im Sakramentshaus der Lorenzkirche in Nürnberg und auch zu anderen Werken von Kraft einer stilkritischen Analyse, so fällt eine augenscheinliche Ähnlichkeit zwischen jenen Figuren und dem Astbrecher auf. Dies auch speziell aufgrund von Dynamik und Naturalismus in der Figürlichen Darstellung, welche bei Peter Vischers Werken eher weniger zu finden sind.

Vor allem ältere Quellen schreiben das Werk jedoch allein Peter Vischer zu. Dies mag wohl nachvollziehbar sein aufgrund des verwendeten Materials, der damals geltenden Gewerbeordnung sowie der Bedeutung von Vischer für die Deutsche Plastik im Spätmittelalter – ist auch er Urheber von drei „Schwarzmandern“ in der Innsbrucker Hofkirche.

Dass der Astbrecher ein Bronzeguss ist, spricht dennoch keinesfalls per se gegen die Urheberschaft Krafts. So berichtet Neudörffer: „er ist berühmt gewest und hat sonderliche Erfahrung gehabt, die harten Steine zu mildern und zu gießen. Er habe Formen gemacht, darein Leimen mit kleinen Steinlein vermischt…“

So darf davon ausgegangen werden, dass auch Kraft durchaus mit Gussformen vertraut war. Aufgrund der Freundschaft, die Kraft und Vischer verband, ist durchaus denkbar, dass Kraft eine Gussform vorbereitete, die von Vischer im Anschluss gegossen wurde, was dieses Objekt somit zu einer Gemeinschaftsarbeit von Freunden macht.


Ivo Köll, MJ 2014

ein Beitrag zum Pauliner Forum 74 - aus Platzgründen exklusiv auf unserer Homepage