Chormusik in Pandemiezeiten

In Zeiten der Pandemie ist es schwierig, Chorkonzerte zu planen. Auch Proben, die die Voraussetzung für gelungene Aufführungen bilden, sind derzeit „auf Eis gelegt“. Trotzdem gibt es Musik, die darauf wartet, vor Publikum dargeboten zu werden. Und so kam die Anfrage der Vizerektorin für Forschung der Universität Innsbruck, Univ. Prof. Dr. Ulrike Tanzer, ein Symposium zum 100. Geburtstag von Reinhold Stecher mit einem Chorkonzert zu veranstalten, gerade recht. Mein Vorschlag dazu war, Gedichte aus der Feder des Altbischofs zu vertonen. Das Gremium, bestehend aus dem Historiker Dirk Rupnow, dem Dekan der Theologischen Fakultät, Dr. Josef Quitterer, und anderen, nahm den Vorschlag gerne an.

Reinhold Stecher verfasste Gedichte zur aktuellen Situation der katholischen Kirche, passend dazu einige seiner Karikaturen, die vom ehemaligen BE-Professor am Paulinum, Günter Lierschof, gelobt wurden. Stecher ließ sich gerne auf Bahnreisen zu Gedichten inspirieren, einige seiner Aquarelle haben dieses Thema zum Inhalt. Und nicht zuletzt gab ihm seine Zeit als Ministrant in der Hofkirche Material für poetische Arbeiten.

Ergänzend sei gesagt, dass es ehrenvoll erscheint, bei diesem Symposium aktiv mitzuwirken - erinnere ich mich doch gerne an die Frühjahrskonzerte der Studentenmusikkapelle des Paulinums, unter Luis Schwarzenberger, denen Stecher stets beiwohnte und die er mit seinen Reden verschönerte. Ebenso wirkte er bei der Übereichung der Leistungsabzeichen des Tiroler Blasmusikverbandes mit. In guter Erinnerung ist mir die gemeinsame Bergtour auf den Sass Rigais: Das Paulinum veranstaltete in den Achtzigerjahren eine Kletterwoche in den Dolomiten, der Bischof besuchte uns und ging mit.

Neben meinem Entschluss, selbst einige Gedichte zu vertonen – mit Zustimmung des Tyrolia-Verlags –, wurde Andrea Oberparleiter mit der Komposition weiterer Chorstücke beauftragt. Die Südtiroler Chorspezialistin war bereits in der Vergangenheit mit der Vertonung von Gedichten von Christian Morgenstern für den Tiroler Sängerbund erfolgreich. Die Uraufführung soll nun im Rahmen des besagten Symposiums im Jänner 2022 in der Aula des Canisianums stattfinden. Es wird der Universitätschor Innsbruck singen, der bereits mehrmals für Reinhold Stecher gesungen hat.

Apropos Singen: Freunde der Chormusik haben derzeit schwere Zeiten. Mir wurde sogar mitgeteilt, ich würde ein Hochrisikohobby ausüben. Glücklicherweise bietet die Universität Innsbruck aber den Chor als Lehrveranstaltung an, in dem Studierende sich ECTS-Punkte für das Studium als freies Wahlfach anrechnen lassen können. Die Universität bot bis zum zweiten Lockdown die größten Räumlichkeiten an, um mit maximalem Abstand Chorproben zu ermöglichen; es wurde mit Mund-Nasen-Schutz gesungen. Konzerte sind für das Wintersemester untersagt, glücklicherweise konnte aber noch der Eröffnungsgottesdienst des Studienjahrs gemeinsam mit einem Ensemble der Tiroler Kaiserjägermusik in der Jesuitenkirche gestaltet werden. Die „Deutsche Messe“ von Franz Schubert wurde musiziert, der Eröffnungschor „Wohin soll ich mich wenden“ wirkte wie ein Programm für die Zeit.

Trotzdem will nun die probenlose Zeit genutzt werden und dazu bietet sich die Vorbereitung möglicher Konzerte im Sommersemester an. Es soll im April ein von mir aus dem Autograph in Stift Stams editiertes Oratorium „David aus dem Ölberg“ von Franz Sebastian Haindl bei den Tiroler Barocktagen im April 2021 aufgeführt werden. Für Mai plant die Universität im Haus der Musik ein Portraittheater über die Physikerin Lise Meitner, in dem auch der Chor mitwirkt. Im Juni 2021 soll es dann „in die Luft“ gehen: Bert Brecht schrieb einen Text zum Ozeanflug von Charles Lindbergh, der von Kurt Weill vertont wurde. Ergänzend dazu komponierte ich eine 160-seitige Partitur zum Ikarus-Text aus Ovids Metamorphosen (der Latein-Unterricht am Paulinum hat hier wohl Nachwirkungen gehabt). Und: Die Hoffnung, dass im Frühjahr 2021 wieder Proben stattfinden dürfen, lebt jedenfalls.


Georg Weiß, MJ 1988
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