Rundbrief Juni 2019 (P. Luis Gutheinz S.J. in Taiwan/ROC)

Dieser Rundbrief 114 möchte Euch von den vergangenen Monaten, von Feierlichkeiten und von lieben Besuchen berichten - mitten im vielfachen Leid in unserer globalen Welt - und "das Buch des Jahres" (so meine persönliche Meinung) vorstellen und schließlich einen Blick in die nahe Zukunft werfen.

Am 7. Mai 2019 lädt die Musikhochschule der Fu Jen Universität zum jährlichen Konzert in der großen Konzerthalle Taipei's ein. Die nahezu 300 Musikanten (Chor und Orchester) folgen aufmerksam ihrem Lehrer und Dirigenten, Guo Lien Chang. Seine meisterhafte und mich bezaubernde Art des Dirigierens erweckt in mir die folgende Idee: Die Musikanten haben vor sich die Noten in Schwarz auf Weiß, der Dirigent hilft ihnen, die Noten in klingende Musik zu entfalten, zur rauschenden Freude der Hörerschaft. Sollte ein Christ, vor allem der Pastor, doch auch versuchen, die Buchstaben der Hl. Schrift in den Händen der glaubenden Menschen zu einer attraktiven Melodie echten und klingenden Lebens im Geiste Jesu Christi zu entfalten? Der packende Vergleich weist deutlich auf die Rolle des aktiven Christen, so auch des Pastors, hin: Leben im Geiste Jesu Christi zu entfalten, nicht zu dominieren.

Dr. Brent Shires aus den USA gilt als einer besten Waldhornbläser unserer Zeit. Er kommt am 24. Mai 2019, ganz bescheiden, an die Musikhochschule der Fu Jen Universität und übt im kleinen Rahmen mit Studenten, die mit heiler Begeisterung ihren Meister nachzuahmen versuchen. Zum Dank schenke ich Dr. Shires ein Foto, auf dem ich mit Waldhorn beim Sonnenaufgang am Neunerköpfle (Hausberg von Tannheim) stehe; wir sind gute Freunde geworden.

Am 2. Juni 2019 Sonntag nachmittags gehen wir in die katholische Kirche von Shilin, Taipei, wo Prof. Zeng Dao Xiong, Taiwan-weit bekannt, mit wenigen dreißig Musikanten (Streichquartett und Chor mit Solisten) seine Musikfreunde in die Schönheit der klassischen Kirchenmusik einführt.

Und nochmals eine Erfahrung des schöpferischen Blasens des Dreieinen Gottes: Cindy bringt mich am 6.Juni in ein Studio, wo sie ein Portrait-Maler kunstvoll, im Zeitraum von 2 Stunden, Strich für Strich gestaltet. Im Blick auf den Künstler erscheint mir je länger je tiefer das Antlitz des Schöpfergottes unseres christlichen Glaubens: Bei IHM aus dem Nichts, und hier beim Farbenkünstler auf blankem, weißem Papier beginnend.

Feste bringen Farbe und Freude in den anfordernden Alltag: Am 24. April 2019 treffen sich Studenten und Lehrer der Fu Jen Theologischen Fakultät mit den Studenten und Lehrer des Theologischen Seminars der Reformten Kirche am Yang Ming Shan, Taipei, zum 50ten Mal, seit der ersten Begegnung im Frühjahr 1969. Diesmal wird die JDDJ (Joint Declaration on the Doctrine of Justification, vom 31. Oktober 1999, Augsburg) eingehends erläutert. Im Laufe der offenen und freundlichen Diskussionen formuliert sich der deutliche Wunsch nach einer baldigen JDDHC (Joint Declaration on the Doctrine of Holy Communion), als Ausdruck unserer gemeinsamen Sehnsucht nach der Communio am Tisch des Herrn Jesus Christus.

Msgr. Thomas Bai lädt viele Freunde am 4. Mai 2019 zur Feier seines Goldenen Priesterjubiläums in der pumpvollen Kirche von Hukou ein, wo ich im Frühjahr 1963, gegen Ende meines Mandarin Studiums in Xinzhu, bei der Einweihung als Ministrant diente.

Erzbischof John B. Hung Shan-Chuan, S. VD. der Erzdiözese Taipei, kommt am 8. Juni 2019 ins Theologat zur Diakonatsweihe für den jungen Jesuiten Joseph Dang Do Nhan (Deng Li Ren) aus Vietnam. Die jubelnde Festgemeinde dankt dem Dreieinen Gott und ihm für das kostbare Geschenk eines jungen, freudestrahlenden Diakons.

Besuche von Freunden aus Nah und Fern weiten den Horizont des Denkens und Fühlens: Am 22. April 2019 klopft Rev. Andreas Zhang Xin Feng an: Oh, seit 1998, bei meinen Vorlesungen im Priesterseminar von Xi-an, Provinz Shaanxi, haben wir uns nicht mehr gesehen. Ein üppiges Abendessen in meinem "Traum-restaurant" vertieft unsere Freundschaft, auf Wiedersehen in Xi-an, Ende August d.J.! Überraschend kommt am 9. Mai 2019 Prof. Dr. You Wen Bin aus Beijing, der Kaiserstadt, einer der aufgeschlossenen chinesischen Intellektuellen, eng befreundet mit Rev. Prof. Dr. Leopold Leeb, S. VD., den man den "Auslandsösterreicher des Jahrhunderts" feiern sollte. Und wiederum, wie vor einigen Monaten, stürzt Cäcilia Wang Ruo Wei aus Kanada am 3. Mai 2019 auf mein Büro und erzählt mir, daß ihr erstes von drei Kindern, Bernhard, freiwilligen Dienst leistet bei den nördlichsten Eskimos, in einer fast unerträglichen Isolation. Cäcilia, fasse Mut, Jesus wird Bernhard auf SEINE Weise belohnen.

Wie im kurzen Rundbrief 113 darf ich Euch, liebe Freunde, in diesem Rundbrief 114 auf das m.E. "Buch des Jahres" hinweisen (cf. Anhang!): Wolfgang Kessler, Die Kunst, den Kapitalismus zu verändern: Eine Streitschrift, Publik-Forum Edition, Mai 2019. Wolfgang, ich erlaube mir, Ihnen das DU anzubieten als Ausdruck meiner Bewunderung für Deine aufbauende Sicht der modernen Welt. Ich freue mich jetzt schon auf unsere Begegnung im Sabbatjahr 2020. Damit öffnet sich der Blick in die nahe Zukunft (der Mensch denkt, und Gott lenkt): 1. August bis 15. September in China (Besuch meiner Leprafreunde, Arbeit mit den Schwestern in Jingxian, Besuche von Freunden in Nord-China, und Vorlesungen im Priesterseminar von Jilin).

Euer Luis SJ .... in Taiwan, aus Tannheim

„Der Heilige Geist erlaubt sich, auch außerhalb unserer Kirche zu blasen“

(Kardinal Walter Kasper)